Projektbeschreibung
Wand-Mal
2007 – Installation
(Ziegel, Mörtel, weiße Farbe)
Künstlerin
Reni Zeugh
Standort
Albert-Schweitzer-Straße 21
48149 Münster
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Vom Gegenbild zum Überbleibsel
Auf dem Gelände des Uniklinikums Münster, in der Nähe der alten Feuerwache, stößt der Betrachter unvermutet auf eine fast versteckte Brandmauer aus roten Ziegeln, versehen mit den Resten eines abgerissenes Giebelhauses, ungefähr in der Größe eines kleinen Einfamilienhauses.
Nichts deutet auf die Geschichte dieses Ortes, wie ein verlorenes Gemälde lugen die Umrisse einer weissen Giebelwand hinter wucherndem Gestrüpp und achtlos abgestellter Fahrräder hervor.
In der Wand eine zugemauerte Tür. Welche Geschichte, welches Schicksal spielte sich hier ab? Wessen häusliche Überreste sind hier zu sehen? Wer hat hier gewohnt? Wer hat hier gearbeitet? Warum mußte er verschwinden? Warum stand ein so kleines Haus auf dem unüberschaubaren Gelände des Uniklinikums, im Schatten der riesigen betonkalten, grauen Türme der Hauptgebäude?
Dem Betrachter bleibt, das Gelände zu erkunden. Er entdeckt ein Sammelsurium aus architektonischen Glas, Stahl, und Betonungeheuern, Blechcontainern, Baustellen, Riesenkränen, alten Backsteingemäuern, vereinzelten, einsamen Grünanlagen, herrschaftlich anmuten Gebäuden mit überraschendem architektonischem Schmuck und verstreuten, in ihrer Funktion nicht identifizierbaren Einzelgebäuden.
Ein wucherndes, unübersichtliches, aus allen Zeiten, Stilen und Funktionen sich überlagerndes Durcheinander, überragt von den Bettentürmen als Ausdruck einer abschreckenden, desaströsen und menschenfeindlichen Gesundheitsindustrie.
Stehe ich hier als kranker Mensch, zu welchem Gegenwarts- und Zukunftsbild führt mich diese Umgebung? Jeder Ausblick und jeder Weg eine Herausforderung für den kranken Körper und die kranke Seele, Metaphern für Kälte, Einsamkeit, Überforderung, Existentielle Nöte oder Gefahr.
Reni Zeugh begegnete dieser Umwelt zunächst fotografisch mit einem künstlerisch-distanzierten Blick, überfordert von der Wucht des Unfaßbaren und seltsam fasziniert von der Vielfalt der formalen Zusammenhänge, dem Spiel von Licht und Schatten, der Farben, ohne jeden Bezug zu den Menschen, die sich hier, aus welchen Gründen auch immer, aufhalten müssen.
Betroffen von ihrer Distanziertheit und ihrem Ohnmachtsgefühl entschied sie, die schönfärberische Ästhetik der Fotos, die das System bestätigen und nie verändern, hinter sich zu lassen und zu handeln.
Reni Zeugh entschied sich, ein Gegenbild schaffen zu dem architektonischen Sinnbild eines verirrten und kranken Gesundheitswesens. Sie wollte einen Ort schaffen mit menschlichen Maßen und menschlicher Wärme.
Sie ließ ein kleines Haus bauen, behaglich einrichten mit Wohnzimmer, Küche und Bad und einer immer offenen Tür. Für die Dauer der damaligen Skulpturenprojekte wohnte sie in diesem Haus und lud jeden, der wollte ein, hier mit ihr zu reden, zu essen, zu trinken, zu lachen oder zu weinen.
Ohne therapeutische, religiöse oder missionarische Absichten, einfach da sein und die Tür offen halten. Dieser Traum wurde für die Dauer der Skulpturprojekte Wirklichkeit, zuerst abgelehnt, dann belächelt, dann zögerlich und dann immer dringlicher angenommen, bis der Bedarf die Möglichkeiten bei weitem überstieg.
Mit dem Ende der Skulpturenausstellung erfolgte der Abriss mit dem unabsichtlichen Überbleibsel der sichtbaren Zeichen des Vergangenen und der sinnbildlich aussagekräftigen zugemauerten Tür. Es war zu hoffen, dass dieser Impuls, der von Reni Zeugh gesetzt wurde, einen größeren Wirkungsgrad erhält, aber letztlich kann man nur enttäuscht feststellen, dass diese künstlerischen Sozialexperimente auch nur einen Baustein im Reigen der Kunstindustrie darstellen.
Eingereicht von Gabriele Albertsen
Vita Reni Zeugh
- geb. 1958 in Chur, Schweiz, lebt in Lenzerheide
- Fotografin und Aktionskünstlerin
Text und Fotos Gabriele Albertsen
Gabi hat den Blick für das was bleiben wird!
Als Schaffende muss man klare Kante zeigen. Reni legt im Selbstportrait Zeughnis davon ab. Das Gespräch im Moment Mal im Gegensatz zum schnell therapierten Wund-Mal
Dass Gabi sich mit Farben gut versteht, war mir bekannt. Vielleicht kann sie mit Worten noch eindrucksvoller – ging mir durch den Kopf, als ich ihre „Abhandlung“ las, die vom Anblick der Mauer ins Leben gerufen wurde. Ich würde gern noch mehr von ihren Einfällen lesen.
Ich wünsche mir mehr von Gabriele A. und Reni Zeugh (verh. Tent)
Mich hat nicht die Muse geküsst- Gabis Fragen schmecken wie Küsse und locken mich hinter die Fassade moderner Architektur und Kunstindustrie.
Unweigerlich lande ich bei dem, was wir Menschen wirklich brauchen und ersehnen…
und da entdecke ich bei allem Kunstverstand meine alte Psychodramafreundin wieder.